Montag, 11. Februar 2013

Treffen mit Kasachstans Staatsfeinden

In Kasachstan, vor allem in Almaty, lässt es sich prima leben, wenn man einigermaßen ordentlich verdient und das scheinen hier doch einige zu tun. Almaty ist voll mit Kaffeehäusern, Pizzerien, Chinarestaurants, Pubs und Clubs. Fette Land Rover sind absolut in und parken an fast jeder Ecke. Kasachen sind auch rege Handy- und Laptopnutzer, Wifi gibt es fast überall. Und die Preise: eher München, als Berlin. Mittagessen um die 10 Euro, Cappuccino 3 Euro 50.

"Xорошие люди" (die guten Leute) - wie ein Restaurant, in dem ich in Astana saß, seine Kunden nannte, bekommen alles geboten, was das Herz begehrt. So ist es klar, dass sich die meisten nicht groß um Politik scheren, sondern einfach nur die moderne Welt genießen: Burger King, KFC, Luis Vuitton, Dolce & Gabbana. Eigentlich sind die Kasachen ein bisschen so wie wir. ;-)

Wer sich allerdings auflehnt und fordert, dass man vielleicht doch mal so etwas, wie eine echte Demokratie einführen sollte oder dass man der Regierungselite ihre Ölmilliarden abnehmen sollte, um die sozialen Probleme der nur 16 Mio. Kasachen anzugehen (so viele sind das doch nicht), der bekommt richtig Ärger.

 
Das ist Vladimir Kozlov, der wohl bekannteste Oppositionspolitiker, bei seiner Verhaftung, kurz nach den Unruhen in Shangaösen.
 
Kurz zu Shangaösen: Das war "der Schock" für viele Kasachen, der wohl schlimmste politische Vorfall in der Geschichte des jungen Landes. Im Dezember 2011 streikten Erdölarbeiter in Shangaösen (Westkasachstan) und forderten mehr Lohn, mehr vom schwarzen Kuchen. Die Polizei eröffnete das Feuer und tötete etwa 15 Erdölarbeiter. 
 
Vladimir Kozlov wurde im Oktober 2012 zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Der Vorwurf: Er soll, zusammen mit einem Oligarchen (einem Intimfeind des Präsidenten, der mittlerweile in Großbritannien lebt), eine kriminelle Vereinigung gebildet haben, um die Regierung zu stürzen. In Shangaösen habe er die Situation angeheizt und die Erdölarbeiter aufgestachelt.
Nach Shangaösen hat die Regierung hart durchgegriffen und auch einige unliebsame Zeitungen und Fernsehstationen dicht gemacht.
 
In einem Cafe in Almaty habe ich Aliya Turusbekova getroffen, die Ehefrau von Vladimir Kozlov.
 
 
Sie erzählte von einem unfairen Prozess, von völlig an den Haaren  herbeigezogenen
Beschuldigungen gegen ihren Mann. Kozlov sitzt im Moment in einem Arbeitslager ganz im
Norden, im kasachischen Sibirien. Gefoltert wird er nicht, sagt Turusbekova, doch er sei abgemagert. Er müsse jeden Tag früh morgens bei -20 Grad zum Appell auf dem Hof antreten und dann den ganzen Tag Schnee schippen und Geschirr spülen. Die 30-Jährige darf ihren Mann einmal pro Quartal besuchen  fahren, hat seit Oktober zweimal mit ihm gesprochen, per Telefon hinter einer dicken Glasscheibe. Ansonsten ist er von der Außenwelt abgeschottet.
 
Außerdem wurde Kozlovs Besitz beschlagnahmt. Die Möbel seien schon weg und Aliya Turusbekova muss bald raus aus der gemeinsamen Wohnung und woanders unterkommen.
Kozlov hat noch ein Kind aus erster Ehe. Aliya Turusbekova versucht die Situation auszuhalten, obwohl sie das psychisch ziemlich stark mitnimmt, sagt sie. Kozlov sei das aber wichitg, er zeige sich auch hart und fest entschlossen, seine Oppositionsarbeit weiter durchzuziehen. Er sieht in seiner Haft durchaus einen Sinn und war bei der Gerichtsverhandlung nicht bereit gewesen, seine Kritik zurückzunehmen. Er war sogar kurz vor seiner Verhaftung in Brüssel und ist zurückgekommen, obwohl er wusste, dass er eine hohe Strafe bekommen könnte.
 
Kozlovs Partei "Alga" gilt im Moment als illegale Vereinigung und arbeitet im Untergrund, ihre Mitglieder treffe ich heute noch ...
 
 
Den gestrigen Sonntag habe ich dann mit einer ziemlich schillernden Persönlichkeit verbracht: Kanat Ibragimov, auch ein Staatsfeind. Ich glaube, die Regierung stuft ihn als nicht ganz so gefährlich ein, wie Kozlov, sieht ihn eher als durchgeknallten Freak, den man ab und zu durch Abschreckung in die Schranken weisen muss.
 
 
Kanat ist einer der bekanntesten Maler und Performancekünstler Kasachstans. Seine Aufführungen sind zum Teil ziemlich derb. In Moskau hat er einem lebendigem Hahn die Gurgel umgedreht, um ihn dann in zwei Teile zu zerschneiden. In seinem Atelier-Wohnzimmer, wo wir zusammen zum Interview saßen, hat er sich vor versammelter Presse beschneiden lassen und seine Vorhaut in Formalin eingelegt. Während er mir das erzählt, geht er kurz zu seinem Kühlschrank, holt sie und drückt sie mir in die Hand.
Sorry, aber das kann ich euch leider nicht vorenthalten. Nicht erschrecken ;-)
 
 
Kanat findet, dass seine Vorhaut einen Platz in der Londoner "Tate Modern" - Galerie verdient hätte. Da steckt allerdings auch eine politische Message dahinter, ín etwa so: Alle Kasachen sollten sich für ihren Präsidenten beschneiden lassen, wenn sie ihm schon so folgen wie Gott oder Allah.
 
Die typische Einstellung ist ja: "Wir kennen keinen anderen, der das besser machen könnte"
Kanat Ibragimov findet, das sei Sklaven-Denken. Er liebt sein Land, sagt er, ist aber auch der Ansicht, dass die Gesellschaft zivilisatorisch überhaupt nicht entwickelt ist. Die Regierung würde nur dem Reichtum und Glamour hinterherrennen und sich die Taschen vollstopfen und die Menschen würden das Spiel mitspielen und auch dem Glamour hinterherrennen.
 
Kanats Malereien sollen auch den Kitsch, den Glamour wiederspiegeln, deswegen malt er viel mit Gold.
 
 
Nach Shangaösen hat Kanat Ibragimov mit einer Performance im Zentrum von Almaty für Aufsehen und Ärger gesorgt. Er ist damals mit einem großen Fisch und einem Beil angekommen und hat dem Fisch den Kopf abgehackt, mit den Worten: "Der Fisch stinkt vom Kopf". 
Ein freundlicher Gruß an den Präsidenten. 
 
Er wurde sofort mit auf die Polizeiwache genommen, kam aber schnell wieder frei. Seitdem ist er allerdings Persona non grata und alle Geschäftspartner und Freunde haben sich von ihm abgewandt. Er darf nicht mehr ausstellen, jetzt kaufen nur noch vereinzelte reiche Kasachen, z.T. aus dem Ausland, seine Bilder. Kanat hat da kein Problem damit und findet, dass er ein Recht auf deren Geld hat.
 
Zweimal war er schon im Knast, für jeweils 15 Tage. Einmal haben sie ihn im Fitnessstudio, ein anderes mal im Restaurant festgenommen. Er sagt, dass er immer wieder beobachtet wird, dass sein Telefon angezapft wird und er Trojaner auf seinem Computer gefunden hat.
 
Wenn er unterwegs ist, hat er immer ein langes Messer dabei (hat er mir auch demonstriert). Das sei, um sich gegen einen Schlägertrupp wehren zu können, ist aber zum Glück noch nicht vorgekommen. Kanat hat sich sehr über meinen Besuch gefreut: Wir haben schon um 15 Uhr beim Mittagessen mit dem Vodka-Trinken angefangen und haben dann bis Mitternacht eine Kneipentour gemacht. Ein sehr netter und unterhaltsamer Abend.
 
Kanat ist ein Fan von: London, den Einstürzenden Neubauten, Borat, Southpark, Pferdefleisch und Manchester United ...
 

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