Dienstag, 16. April 2013

Angriff der Killerprostituierten

Kann man in Ashgabat ausgehen? Der Lonely Planet sagt: Wenn, dann am besten im "British Pub", dort tummeln sich die Ausländer der Stadt, es gibt Livemusik. Gut, dann gehe ich doch einfach mal abends auf einen Burger und ein Bier dorthin und höre ein bisschen der Musik zu, habe ich mir gedacht. Ich konnte ja nicht ahnen, dass ich mich in "Gefahr" begeben werde.

Die Kneipe sah tatsächlich aus, wie ein echter English Pub und war ziemlich voll. Die Liveband hat mir gefallen, hat rockige Songs gecovert. Es gab Spielchen, bei denen Männer unter anderem in die Luft hüpfen und irgendetwas von der Decke schnappen mussten.

Nach etwa zehn Minuten kam mein Essen und sogleich auch eine junge Dame mit an meinem Tisch. Sie hatte ein schönes blaues Abendkleid an, mit einer Blume dran. Allerdings sah sie nicht aus, wie eine Turkmenin, eher etwas heller. "Hi, was machst Du denn hier so alleine?"
Oh je... Vermutlich wäre sie sogar ziemlich süß gewesen, wenn sie nicht so einen aggressiv lüsternen Blick draufgehabt hätte und wenn sie ihre doch recht auffällige Brust in Originalgröße gelassen hätte.

Wir haben uns fünf Minuten lang nett unterhalten. Angeblich ist sie halb Aserbaidschanerin, halb Ukrainerin und ganz alleine im Pub. Doch schon bald folgte die Verabschiedung: "Was hast Du heute eigentlich so vor?", fragte sie mich. "Bier trinken und dann ein bisschen der Musik zuhören." - "Und danach?" - "Nach Hause gehen." - "Alleine." - "Ja." Sie guckte böse: "Na gut, dann guten Appetit." Und weg war sie. So ein unanständiges Mädel, ts, ts, ts ;-)

Ich habe weitere 10 Minuten gegessen und Bier getrunken, da war auch schon die nächste am Start. Ich kam mir vor, wie ein Kaninchen vor einem Adlerhorst. Das zweite Mädel hatte neben dem ersten im blauen Kleid gesessen, das hatte ich aus dem Augenwinkel gesehen. Vermutlich hatte sie irgendeinen Tipp bekommen, wie: "Der Kleine ist schüchtern, fall nicht gleich mit der Tür ins Haus." Jedenfalls habe ich mich mit der zweiten Frau, die eher im lässigen Stil gekleidet war, fast eine Stunde lang unterhalten. Von zusammen ins Hotel gehen war keine Rede, ich bekam erst einmal keinen Grund geliefert, sie wegzuschicken.

Immer wieder sind wir zu den anderen Leuten auf die Tanzfläche gegangen. Das Mädchen war recht witzig, etwas skurril, erzählte von einem älteren Freund in Deutschland, den sie Papa nennt (?!). Manchmal, wenn sie mich anguckte, zwinkerte sie ganz wild und schnell mit einem Auge. War das verführerisch gemeint? Ich weiß es nicht.

Da tanzt sie, die verrückte Nudel...


 

Auf der Tanzfläche stand plötzlich eine Gruppe von Expats neben uns, aus Russland, Lettland und Frankreich. Eine Mitte 20-jährige Russin wirkte die ganze Zeit so, als ob sie mir etwas mitteilen wollte. Plötzlich kam sie auf mich zu und fragte mich, ob ich bei irgendeiner Firma (deren Namen ich vergessen habe) arbeite. Sie guckte mich dabei eindringlich an, irgendwie komisch...

Gegen halb zwölf machte der Pub zu und meine Tanznudel wurde wütend: "So ein beschissenes Land hier, mit dieser Sperrstunde. Unglaublich, hier kann man nichts machen. Nur Regeln, Regeln, Regeln." Sie machte Anstalten, mit mir zusammen nach draußen zu gehen. Ich dachte mir nur: "Ok, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, sie freundlich aber bestimmt loszuwerden und ihr Gezeter zu ignorieren."

Doch soweit kam es gar nicht. Einer der Expats kam auf mich zu und sagte: "Komm mal kurz mit." Das Mädel wurde wütend: "Was willst du denn, du störst." Ich bin dennoch mit dem Franzosen auf die Seite gegangen. Er sagte zu mir: "Pass auf, ich kenne dich nicht, aber du hast dir die schlimmste Hure aus ganz Ashgabat ausgesucht." Ich musste grinsen: "Ich habe sie nicht ausgesucht, ich hätte mich jetzt sowieso gleich alleine auf den Weg gemacht." - "Komm doch mit zu uns an den Tisch, wir feiern einen Geburtstag." Warum eigentlich nicht. Ich habe mich von der mittlerweile etwas erbosten Lady verabschiedet und bin zu den Expats gegangen.

Die Russin sagte zu mir: "Hey, was für ein Glück. Ich habe meinen Freund extra zu dir geschickt. Weißt du, dass es in Turkmenistan strengstens verboten ist, etwas mit Einheimischen anzufangen?" - "Aber ich wollte doch gar nicht..." - "Selbst, wenn man dich nur mit ihr auf der Straße sieht, ist es gefährlich. Wir kennen sie übrigens, sie ist hier immer auf der Jagd und du bist Frischfleisch. Es kommt selten vor, dass ein Ausländer hier alleine herumsitzt."

Die Expats erzählten mir, dass zwei Freunde von ihnen, zwei Franzosen, wegen Prostituierten für jeweils 14 Tage ins Gefängnis kamen. Sie mussten eine saftige Strafe zahlen und wurden anschließend aus dem Land geworfen. Die Prostituierten waren mit ihnen ins Hotel gegangen, doch noch bevor es zu irgendetwas gekommen ist, hatten sie den Immigration Service angerufen. Die Franzosen wurden verhaftet und die Prostituierten haben vermutlich eine Provision kassiert. Viele von ihnen arbeiten offenbar mit korrupten Beamten zusammen.

Die Russin hat die Franzosen im Knast besucht und für sie übersetzt. Sie seien fix und fertig gewesen, denn die Gefängniszelle war extrem schlimm, nur ein blanker Raum, ohne Toilette und Bett.

Weil in Ashgabat nach Mitternacht nichts mehr geöffnet hat, sind die Expats zum Geburtstag feiern zu sich ins Hotel zurückgefahren und haben mich einfach mitgenommen. Ich habe ihnen erzählt, dass ich über (fast) alles, was ich erlebe, blogge. Ich musste ihnen versprechen, nicht zu erwähnen, für welches Unternehmen sie arbeiten, denn sie sind auch vom turkmenischen Staat abhängig. Aber so spannend wäre diese Info nun auch nicht.

Ich kann nur sagen: Wir waren im vielleicht luxuriösesten Hotelkomplex, den ich je betreten habe. Es war ein recht netter Abend. Wir haben Sekt getrunken und viel gequatscht. Ich habe immer wieder gefragt, wie es ist, in Ashgabat zu leben. Ein Franzose sagte mir: "Absoluter Horror, eine depressive Palastwüste. Man kann hier absolut nichts machen. Wir hängen meist zu Hause herum. Zu den Turkmenen haben wir kaum Kontakt, denn die haben alle Gehirnwäsche abbekommen. Du kannst niemandem trauen, hast schnell mal den Geheimdienst am Hals."
Der Franzose erzählte, dass er einmal mit Handschellen an einen Baum gefesselt wurde, weil der Präsident in seiner Limousine vorbeieskortiert werden sollte und er ein Risiko dargestellt habe.

Bei Expats muss man immer ein bisschen vorsichtig sein, finde ich. Auf der einen Seite bekommt man eine kritische, unabhängige Sicht geboten, auf der anderen Seite aber auch eine sehr spezielle Wahrnehmung von Leuten, die sich damit herumärgern, dass die Dinge anders laufen, als zu Hause. Interessant ist es aber allemal. Die Jungs unter den Expats haben auch bedauert, dass man als Ausländer nichts mit Turkmeninnen anfangen darf. Man kann eine Turkmenin heiraten und mit nach Hause bringen. Doch dann muss man angeblich 80 000 US-Dollar an den Staat zahlen.

Donnerstag, 11. April 2013

Ashgabat - der irre Prunk der turkmenischen Regierung

Gleich an meinem ersten Abend in Konye Urgench stattete mir die turkmenische Diktatur einen Besuch ab. "Rums, rums, rums!" hämmert es an meiner Hotelzimmertür: "Immigration Service!" Im Flur stehen zwei etwa 30-jährige Typen mit schwarzen Lederjacken. Sie wollen meinen Pass und mein Visum sehen. Einer der Männer motzt mich an: "Warum wohnst du denn hier?" - "Warum nicht?" frage ich erstaunt. Er schimpft: "Warum bist du nicht im Urgench Hotel?" - "Weil ich in diesem Hotel bin. Es stand in meinem Reiseführer." - "Zeig uns deinen Reiseführer." Und schon wieder wird mein Lonely Planet genau unter die Lupe genommen. In Turkmenistan ist ein Reiseführer offenbar das verdächtigste Objekt, dass man mitbringen kann.

"Du bist nicht im Urgench Hotel", stellt der eine Lederjackentyp noch einmal erbost fest. Und da fällt es mir ein: Stimmt, ich hatte das Urgench-Hotel beim Grenzübertritt als erste Unterkunft angegeben. So etwas dummes, jetzt bin ich doch aus Versehen in ein anderes Hotel gegangen ...

"Hast Du Bücher über Religion?" will der Kontrolleur wissen. Wie, eine Bibel oder was? "Nein, nur Romane." Der Typ ist skeptisch. Ich soll alle meine Bücher auspacken. Er zeigt auf "Der Schneeleopard" von Tschingis Aimatow. "Was ist das für ein Buch, worum geht es da?" - "Dieses Buch habe ich leider noch nicht angefangen. Das lese ich als nächstes." Diese Antwort passt ihm nicht. Ok, dann denke ich mir eben etwas aus: "Es geht um das Leben und um die Liebe", sage ich. Und siehe da, er scheint zufrieden zu sein. Hoch professionell.

Nach dieser kurzen, etwas skurrilen Kontrolle ziehen die Typen ab und ich habe meine Ruhe.
Am nächsten Morgen fahre ich mit einem Sammeltaxi in die Hauptstadt Ashgabat. Ich stelle bei dieser Fahrt erfreuliches fest: 1. Turkmenische Taxifahrer bescheißen nicht. Ich muss, wie die Einheimischen, knapp 10 Euro für 7 Stunden Fahrt bezahlen. 2. Turkmenische Mitfahrer sind höflich und zurückhaltend. Keiner fragt mich über meinen Familienstand oder deutsche Automarken aus. (Das soll sich, zurück in Kasachstan, wieder schlagartig ändern) 3. Turkmenische Mitfahrer riechen ziemlich gut, benutzen offenbar viel gutes Parfüm. Auch im Bahnhof von Ashgabat ist es mir aufgefallen. 4. Die Frauen sind auffallend hübsch, Typ: arabische Prinzessin.

In Ashgabat beziehe ich ein semiluxuriöses Hotel, für umgerechnet 40 Euro die Nacht (günstigeres ist schwer zu finden)
 


 
In jedem Stockwerk hängt ein Bild des Präsidenten und eine Dame sitzt auf einem Sofa. Sie behütet die Schlüssel für die Zimmer und guckt ansonsten viel fern oder starrt an die Wand, Traumjob!
 
 


 Ist mein Zimmer verwanzt? Man weiß es nicht. Teure Businesshotels sollen zum Teil abgehört werden.
 
Am nächsten Tag habe ich mir Ashgabat angeguckt und mir ein Bild über das Ausmaß der turkmenischen Diktatur gemacht. Am spannendsten fand ich den rund einen Kilometer langen Marmorpalast-Komplex des Präsidenten. Hier herrscht strengstes Fotografierverbot, deswegen ein Bild aus dem Netz ...
 

 
 
Ich war schon in einigen Städten auf der Welt, doch die Straße zwischen den Marmorpalästen in Ashgabat ist die definitiv die krasseste Prunkstraße, die ich je gesehen habe. (Na gut, ich war noch nicht in Las Vegas oder Dubai.) Ich hoffe, ich finde noch ein besseres Bild ...
 
 

 
Naja, kommt vielleicht nicht ganz rüber. Man muss sich einen Kilometer Prachtboulevard mit einem riesigen Marmorpalast neben dem anderen vorstellen, dazwischen hunderte Fontänen, Treppen und vom feinsten gepflegte Baumreihen. Überall fegen Menschen die Straßen, Polizisten stehen stramm. Wenn sie einen sehen, winken sie manchmal ganz wild, weil man aus Versehen auf irgendeinem verbotenen Fußweg läuft, oder auf der falschen Straßenseite.
 
Doch ich habe festgestellt: Wenn man freundlich auf die Polizisten zugeht und sie auf Russisch nach einer Auskunft fragt, sind sie oft richtig nett. Manchmal entsteht sogar ein kleiner Plausch. Ein Polizist fragte mich: "Was machst Du beruflich." - "Journalist." Upsi, da ist es mir doch glatt herausgerutscht. Werde ich jetzt verhaftet? - Nein, der Polizist lächelt: "Interessant. Was für ein Medium? Über was berichtet ihr so in Deutschland?" Ich erkläre ihm vorsichtig, dass wir in Deutschland gerne unsere Regierung kritisieren. Der Polizist scheint das interessant zu finden.
 
Laut Reporter ohne Grenzen ist Turkmenistan weltweit auf dem drittletzten Platz, was Presse- und Meinungsfreiheit angeht. Nur Nordkorea und Eritrea (oder war es doch Somalia) sind schlimmer. Die turkmenische Regierung saugt ihr Land ähnlich aus, wie die usbekische. Sie hat einen extrem starken Polizeiapparat und Geheimdienst und unterdrückt die Opposition brutal. Hinzu kommen strenge Verhaltensregeln (wer sein Auto z.B. nicht wäscht, muss 50 US-Dollar Strafe zahlen) und ein starker Personenkult.
 
 
 
Das ist Saparmyrat "Kim Yong" Nyazow. (King Kong würde vielleicht auch passen.) 
Er hat das Land als "Führer der Turkmenen", turkmenisch: "Turkmenbashi" (bayerisch: "Schurkenbatzi") regiert. 2006 ist er gestorben. Wie jeder durchgeknallte Diktator hat er allerhand verrückte Dinge gemacht wie:
 
- eine eigene Bibel ("Ruhnama") geschrieben und sie zur wichtigsten Pflichtlektüre erklärt
- einen schmissigen, hitleresken Slogan ausgerufen: "Halk, Watan, Turkmenbashi!" (Volk, Nation, Führer!)
- alles mögliche nach sich selbst benannt: Schulen, einen Flughafen, eine Stadt, einen Meteoriten
- sein Bild auf Geldscheine gedruckt
- goldene Statuen von sich selbst aufgestellt
- Monate und Wochentage nach sich selbst und seiner Familie benannt (der Januar hieß bis zu Nyazows Tod Turkmenbashi)
 
2002 gab es ein (möglicherweise inszeniertes) Attentat auf Nyazow, woraufhin er sich von seinem Parlament zum Propheten ernennen lies.
 
Nach seinem Tod, 2006, übernahm sein ehemaliger Leibzahnarzt Gurbanguly Berdimuhamedow das Ruder. Er ist nicht ganz so durchgeknallt wie sein Vorgänger, hat vereinzelte Reformen durchgesetzt. Es gibt Rente, man darf in Autos wieder laut Musik hören, der Nyazow-Personenkult wurde reduziert. Doch auch Berdimuhamedow gilt es in Turkmenistan zu verehren, daran wird man immer wieder erinnert ...
 
 
 
 
 
 Hier die Urlaubsvariante ...
 
 
 
Wie leben die Menschen in so einer Diktatur? Das war für mich in den fünf Tagen sehr schwierig herauszufinden. Ich habe, so oft es ging, nachgefragt. Mein Eindruck: Den meisten Menschen ist durchaus bewusst, dass sie sich in einem ziemlich abgeschotteten Staat ohne Demokratie befinden, dass alle Wahlen eine Farce sind und dass es da eine Regierung gibt, die in Saus und Braus lebt, während fast alle Bürger arm sind. Doch, ähnlich wie in Usbekistan, versuchen die Menschen vor allem das Positive hervorzuheben. Man habe immerhin etwas höhere Löhne, als die Usbeken (kein Wunder bei den massiven Erdgasreserven am kaspischen Meer, der Durchschnittslohn liegt vermutlich bei etwa 200-300 Euro im Monat). Es gäbe Gas, Wasser, Strom und Salz kostenlos.
 
Fast wie ein Mantra hört man immer wieder: "Es geht voran, es gibt immer mehr Reformen." Ein etwa 70-jähriger gebildeter Turkmene sagte zu mir im Zug: "Es ist schon klar, dass ihr in Deutschland weiter entwickelt seid, dass Turkmenistan aus eurer Sicht schlimm ist, aber wir sind eben noch ein junges Land. Ihr müsst noch etwas Geduld haben." Gut, wenn man bei jeglicher Äußerung von Kritik mit einem Bein im Knast steht, sind solche Aussagen nachvollziehbar. In Turkmenistan ist die Opposition nicht nur unterdrückt, sondern schlicht weg nicht vorhanden. Kritiker sind stumm, im Knast oder im Exil.
 
Was mir aufgefallen ist: Der Präsident kann sein Volk mit seinem Prunk durchaus beeindrucken. Immer wieder wurde ich von Turkmenen auf der Straße gefragt, wie ich Ashgabat finde. Wenn ich gesagt habe: "Sehr sauber, es ist schon die prächtigste Stadt Zentralasiens" leuchteten die Augen. Wenn ich hinzugefügt habe: "man sollte deutlich mehr Geld für Eure Löhne zur Verfügung stellen" lächelten die Leute: "Ja, ja, das stimmt, aber das kommt noch."
 
 
Hier noch ein paar Eindrücke aus dem prunkvollen Ashgabat:
 
 
 
  Unglaublich sauber der Platz
 
 
 
 
  Auch hier ein sensationelles Bergpanorama im Hintergrund
 
 
 
  
Das Erdbebendenkmal. Auf der Weltkugel sitzt der Turkmenbashi als goldenes Baby.
 
 
Als Tourist stellt man ziemlich schnell fest: Außer Prunkbauten angucken, kann man in Ashgabat nicht viel machen. Es gibt z.B. kaum Restaurants oder Geschäfte. Das Internet ist stark eingeschränkt. Man kann zwar einigermaßen gut surfen. Facebook, Youtube, Blogspot und WhatsApp sind allerdings gesperrt.