Donnerstag, 11. April 2013

Ashgabat - der irre Prunk der turkmenischen Regierung

Gleich an meinem ersten Abend in Konye Urgench stattete mir die turkmenische Diktatur einen Besuch ab. "Rums, rums, rums!" hämmert es an meiner Hotelzimmertür: "Immigration Service!" Im Flur stehen zwei etwa 30-jährige Typen mit schwarzen Lederjacken. Sie wollen meinen Pass und mein Visum sehen. Einer der Männer motzt mich an: "Warum wohnst du denn hier?" - "Warum nicht?" frage ich erstaunt. Er schimpft: "Warum bist du nicht im Urgench Hotel?" - "Weil ich in diesem Hotel bin. Es stand in meinem Reiseführer." - "Zeig uns deinen Reiseführer." Und schon wieder wird mein Lonely Planet genau unter die Lupe genommen. In Turkmenistan ist ein Reiseführer offenbar das verdächtigste Objekt, dass man mitbringen kann.

"Du bist nicht im Urgench Hotel", stellt der eine Lederjackentyp noch einmal erbost fest. Und da fällt es mir ein: Stimmt, ich hatte das Urgench-Hotel beim Grenzübertritt als erste Unterkunft angegeben. So etwas dummes, jetzt bin ich doch aus Versehen in ein anderes Hotel gegangen ...

"Hast Du Bücher über Religion?" will der Kontrolleur wissen. Wie, eine Bibel oder was? "Nein, nur Romane." Der Typ ist skeptisch. Ich soll alle meine Bücher auspacken. Er zeigt auf "Der Schneeleopard" von Tschingis Aimatow. "Was ist das für ein Buch, worum geht es da?" - "Dieses Buch habe ich leider noch nicht angefangen. Das lese ich als nächstes." Diese Antwort passt ihm nicht. Ok, dann denke ich mir eben etwas aus: "Es geht um das Leben und um die Liebe", sage ich. Und siehe da, er scheint zufrieden zu sein. Hoch professionell.

Nach dieser kurzen, etwas skurrilen Kontrolle ziehen die Typen ab und ich habe meine Ruhe.
Am nächsten Morgen fahre ich mit einem Sammeltaxi in die Hauptstadt Ashgabat. Ich stelle bei dieser Fahrt erfreuliches fest: 1. Turkmenische Taxifahrer bescheißen nicht. Ich muss, wie die Einheimischen, knapp 10 Euro für 7 Stunden Fahrt bezahlen. 2. Turkmenische Mitfahrer sind höflich und zurückhaltend. Keiner fragt mich über meinen Familienstand oder deutsche Automarken aus. (Das soll sich, zurück in Kasachstan, wieder schlagartig ändern) 3. Turkmenische Mitfahrer riechen ziemlich gut, benutzen offenbar viel gutes Parfüm. Auch im Bahnhof von Ashgabat ist es mir aufgefallen. 4. Die Frauen sind auffallend hübsch, Typ: arabische Prinzessin.

In Ashgabat beziehe ich ein semiluxuriöses Hotel, für umgerechnet 40 Euro die Nacht (günstigeres ist schwer zu finden)
 


 
In jedem Stockwerk hängt ein Bild des Präsidenten und eine Dame sitzt auf einem Sofa. Sie behütet die Schlüssel für die Zimmer und guckt ansonsten viel fern oder starrt an die Wand, Traumjob!
 
 


 Ist mein Zimmer verwanzt? Man weiß es nicht. Teure Businesshotels sollen zum Teil abgehört werden.
 
Am nächsten Tag habe ich mir Ashgabat angeguckt und mir ein Bild über das Ausmaß der turkmenischen Diktatur gemacht. Am spannendsten fand ich den rund einen Kilometer langen Marmorpalast-Komplex des Präsidenten. Hier herrscht strengstes Fotografierverbot, deswegen ein Bild aus dem Netz ...
 

 
 
Ich war schon in einigen Städten auf der Welt, doch die Straße zwischen den Marmorpalästen in Ashgabat ist die definitiv die krasseste Prunkstraße, die ich je gesehen habe. (Na gut, ich war noch nicht in Las Vegas oder Dubai.) Ich hoffe, ich finde noch ein besseres Bild ...
 
 

 
Naja, kommt vielleicht nicht ganz rüber. Man muss sich einen Kilometer Prachtboulevard mit einem riesigen Marmorpalast neben dem anderen vorstellen, dazwischen hunderte Fontänen, Treppen und vom feinsten gepflegte Baumreihen. Überall fegen Menschen die Straßen, Polizisten stehen stramm. Wenn sie einen sehen, winken sie manchmal ganz wild, weil man aus Versehen auf irgendeinem verbotenen Fußweg läuft, oder auf der falschen Straßenseite.
 
Doch ich habe festgestellt: Wenn man freundlich auf die Polizisten zugeht und sie auf Russisch nach einer Auskunft fragt, sind sie oft richtig nett. Manchmal entsteht sogar ein kleiner Plausch. Ein Polizist fragte mich: "Was machst Du beruflich." - "Journalist." Upsi, da ist es mir doch glatt herausgerutscht. Werde ich jetzt verhaftet? - Nein, der Polizist lächelt: "Interessant. Was für ein Medium? Über was berichtet ihr so in Deutschland?" Ich erkläre ihm vorsichtig, dass wir in Deutschland gerne unsere Regierung kritisieren. Der Polizist scheint das interessant zu finden.
 
Laut Reporter ohne Grenzen ist Turkmenistan weltweit auf dem drittletzten Platz, was Presse- und Meinungsfreiheit angeht. Nur Nordkorea und Eritrea (oder war es doch Somalia) sind schlimmer. Die turkmenische Regierung saugt ihr Land ähnlich aus, wie die usbekische. Sie hat einen extrem starken Polizeiapparat und Geheimdienst und unterdrückt die Opposition brutal. Hinzu kommen strenge Verhaltensregeln (wer sein Auto z.B. nicht wäscht, muss 50 US-Dollar Strafe zahlen) und ein starker Personenkult.
 
 
 
Das ist Saparmyrat "Kim Yong" Nyazow. (King Kong würde vielleicht auch passen.) 
Er hat das Land als "Führer der Turkmenen", turkmenisch: "Turkmenbashi" (bayerisch: "Schurkenbatzi") regiert. 2006 ist er gestorben. Wie jeder durchgeknallte Diktator hat er allerhand verrückte Dinge gemacht wie:
 
- eine eigene Bibel ("Ruhnama") geschrieben und sie zur wichtigsten Pflichtlektüre erklärt
- einen schmissigen, hitleresken Slogan ausgerufen: "Halk, Watan, Turkmenbashi!" (Volk, Nation, Führer!)
- alles mögliche nach sich selbst benannt: Schulen, einen Flughafen, eine Stadt, einen Meteoriten
- sein Bild auf Geldscheine gedruckt
- goldene Statuen von sich selbst aufgestellt
- Monate und Wochentage nach sich selbst und seiner Familie benannt (der Januar hieß bis zu Nyazows Tod Turkmenbashi)
 
2002 gab es ein (möglicherweise inszeniertes) Attentat auf Nyazow, woraufhin er sich von seinem Parlament zum Propheten ernennen lies.
 
Nach seinem Tod, 2006, übernahm sein ehemaliger Leibzahnarzt Gurbanguly Berdimuhamedow das Ruder. Er ist nicht ganz so durchgeknallt wie sein Vorgänger, hat vereinzelte Reformen durchgesetzt. Es gibt Rente, man darf in Autos wieder laut Musik hören, der Nyazow-Personenkult wurde reduziert. Doch auch Berdimuhamedow gilt es in Turkmenistan zu verehren, daran wird man immer wieder erinnert ...
 
 
 
 
 
 Hier die Urlaubsvariante ...
 
 
 
Wie leben die Menschen in so einer Diktatur? Das war für mich in den fünf Tagen sehr schwierig herauszufinden. Ich habe, so oft es ging, nachgefragt. Mein Eindruck: Den meisten Menschen ist durchaus bewusst, dass sie sich in einem ziemlich abgeschotteten Staat ohne Demokratie befinden, dass alle Wahlen eine Farce sind und dass es da eine Regierung gibt, die in Saus und Braus lebt, während fast alle Bürger arm sind. Doch, ähnlich wie in Usbekistan, versuchen die Menschen vor allem das Positive hervorzuheben. Man habe immerhin etwas höhere Löhne, als die Usbeken (kein Wunder bei den massiven Erdgasreserven am kaspischen Meer, der Durchschnittslohn liegt vermutlich bei etwa 200-300 Euro im Monat). Es gäbe Gas, Wasser, Strom und Salz kostenlos.
 
Fast wie ein Mantra hört man immer wieder: "Es geht voran, es gibt immer mehr Reformen." Ein etwa 70-jähriger gebildeter Turkmene sagte zu mir im Zug: "Es ist schon klar, dass ihr in Deutschland weiter entwickelt seid, dass Turkmenistan aus eurer Sicht schlimm ist, aber wir sind eben noch ein junges Land. Ihr müsst noch etwas Geduld haben." Gut, wenn man bei jeglicher Äußerung von Kritik mit einem Bein im Knast steht, sind solche Aussagen nachvollziehbar. In Turkmenistan ist die Opposition nicht nur unterdrückt, sondern schlicht weg nicht vorhanden. Kritiker sind stumm, im Knast oder im Exil.
 
Was mir aufgefallen ist: Der Präsident kann sein Volk mit seinem Prunk durchaus beeindrucken. Immer wieder wurde ich von Turkmenen auf der Straße gefragt, wie ich Ashgabat finde. Wenn ich gesagt habe: "Sehr sauber, es ist schon die prächtigste Stadt Zentralasiens" leuchteten die Augen. Wenn ich hinzugefügt habe: "man sollte deutlich mehr Geld für Eure Löhne zur Verfügung stellen" lächelten die Leute: "Ja, ja, das stimmt, aber das kommt noch."
 
 
Hier noch ein paar Eindrücke aus dem prunkvollen Ashgabat:
 
 
 
  Unglaublich sauber der Platz
 
 
 
 
  Auch hier ein sensationelles Bergpanorama im Hintergrund
 
 
 
  
Das Erdbebendenkmal. Auf der Weltkugel sitzt der Turkmenbashi als goldenes Baby.
 
 
Als Tourist stellt man ziemlich schnell fest: Außer Prunkbauten angucken, kann man in Ashgabat nicht viel machen. Es gibt z.B. kaum Restaurants oder Geschäfte. Das Internet ist stark eingeschränkt. Man kann zwar einigermaßen gut surfen. Facebook, Youtube, Blogspot und WhatsApp sind allerdings gesperrt.
  

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