Samstag, 2. Februar 2013

Sechs Stunden am Flughafen Kiew totschlagen


Ich sitze gerade im Flughafen Kiew Borispol und muss knapp sechs Stunden totschlagen...

„Na, das kann ja heiter werden“, dachte ich, als mich die freundliche Ukrainerin an der Passkontrolle von der Haupthalle weglotste und zum Transitbereich, irgendwo hinten in einer Ecke schickte. Ich musste erst einmal in einen tristen, kleinen, weißen Raum hinein. Dort wurde man durchgecheckt. Vor mir am Band stand ein kasachisches Pärchen, das von der Kontrolleurin auf Russisch geschimpft wurde. Das Handgepäck war offenbar zu groß und das könne dazu führen, dass das Flugzeug ungleichmäßig belastet wird. Die Frau breitete ihre Arme aus und machte Bewegungen, wie eine abstürzende Schwalbe.

Von diesem Raum führte dann eine unscheinbare Eisentreppe nach oben, zu einem dunklen Korridor. Mir schossen sofort Gedanken in den Kopf: „Okay, sechs Stunden in einem trostlosen leeren Raum sitzen, wahrscheinlich auch noch auf einer Holzbank ... Na gut, immerhin bekommst du dann mal einen Eindruck, wie es sich anfühlt, im Knast zu sein, das ist ja vielleicht auch mal ganz interessant.“

Doch weit gefehlt, der Korridor machte einen scharfen Rechtsknick und ich fand mich in einer top modernen, hell erleuchteten Wartehalle wieder. Alles da, was das Herz begehrt! Schnelle Wifi-Verbindung (irgendwie habe ich das Gefühl, dass Deutschland da voll hinterherhinkt) und die mir aus Riga wohlbekannten Restaurantketten: „TGI Friday's“ (ein Hoch auf den „Jack Daniels Burger“) und „Costa Coffee“ (wo ich jetzt gerade Latte Macchiato schlürfend blogge). Ich bin ja jetzt voll modern ausgestattet und habe einen kleinen Reiselaptop ständig bei mir.

Die in Osteuropa zum Teil weit verbreitete Ruppigkeit habe ich auch schon zu spüren bekommen, wenn auch auf fast schon niedliche Art und Weise, durch meinen Kellner bei TGI Friday's: Dirk Bach in böse. Ein drollig aussehendes Kerlchen mit rundem fleischigem Gesicht, Megaplautze, weißrot-gestreiftem TGI-Friday's- Hemd, Hosenträgern und blaugelber Ukraine-Wikingerkappe mit Hörnern (eines gelb eines blau). Dieser an sich lustig wirkende Typ hatte eine auf mich etwas verstörend wirkende Angewohnheit. Wenn man ihn nicht verstanden hatte, stöhnte er kurz und brüllte einen dann an, zum Beispiel als ich bestellen wollte: „... and a mineral water, please.“ - „French or Georgian?“ - „Äh, sorry?“ - „Frrrrreeeeeeench or Geooooooorgian !!!!!!“ - „Äh, ähm, ähm, French, please...“

So, wieviel Zeit habe ich denn noch?... 4 Stunden …

Morgen früh gegen sieben soll ich in Astana (der Hauptstadt von Kasachstan) ankommen. Ein bisschen mulmig ist mir schon: Wird alles gut? Treffe ich all die spannenden Leute, die ich kontaktiert habe? Werden mir irgendwelche korrupten Beamten meine technischen Geräte abnehmen? Langweile ich mich zu Tode, werde ich depressiv, wenn ich zwei Monate alleine durch die -stan-Länder reise? Es gibt dort schließlich relativ wenig touristische Strukturen und schon gar nicht im Winter.

Einer meiner Kontaktleute, ein bekannter kasachischer Theaterregisseur, der im Knast war und in Deutschland im Exil lebt, hat mir geschrieben: „Auf keinen Fall alleine durch Zentralasien reisen, nur in Begleitung. Ein deutscher Journalist, der alleine in Astana war, hat sich in der Intensivstation wiedergefunden.“

Als ich die Mail gelesen hatte dachte ich nur: „Oh Gott, was ist denn da los?“ Aber ich habe ein bisschen etwas über den Fall gelesen und mit dem Journalisten (der gerade Kirgistan lebt) geskyped. Er kann nicht hundertprozentig ausschließen, dass er wegen seiner Arbeit angegriffen wurde, denn er ist in der Region nicht ganz unbekannt, aber es sieht wohl eher nach einem Standardraubüberfall aus. Er hatte vor ein paar Jahren zum Wirtschaftsaufschwung in Kasachstan recherchiert und unter anderem in Nachtclubs in Astana gedreht. An einem Abend kam er aus einem Club, ein Privattaxi mit drei Männern hielt an und die haben ihn dann brutal zusammengeschlagen und im Schnee liegen lassen. Wenn man ihn  nicht in der Nacht noch gefunden hätte, wäre er jetzt wohl tot.

Der Lonely Planet warnt genau vor solchen Situationen und schreibt: Kasachstan ist ein sicheres Land, doch vor Taxifahrten in der Nacht sollte man sich hüten und niemals in Autos steigen, in denen mehr als eine Person sitzt. Der Journalist bestellt sich jetzt immer seine Taxis telefonisch oder fährt mit Bekannten. Und ich versuche das auch so zu machen. 

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