Donnerstag, 7. Februar 2013

Ankunft in Almaty: Na also, die Stadt ist ja wohl deutlich besser

Die 20-stündige Zugfahrt war richtig gut. Erstens, weil der Zug modern und gemütlich war...

 
Matratzen, Kissen, Decken, saubere Überzüge, alles da. Und dann hatte ich noch mit Manas einen ziemlich netten Reisenachbarn.
 
 
Vor allem sprach er fließend Englisch. Mit dem Russischen komm ich zwar gut klar, ich kann auch fast alles sagen, was ich möchte und auch die Leute zu etwa 80 Prozent verstehen, aber es ist schon etwas anderes, wenn man Englisch sprechen kann, entspannte Konversation.
 
Manas war für mich eine interessante Informationsquelle über Kasachstan und ich war für ihn eine interessante Informationsquelle über diverse Städte: "How is New York? How is Rio? How is Rome?" Wir haben uns gegenseitig fotografiert. Ich werde jetzt wohl irgendwo in einem kasachischen Bilderblog auftauchen und er dafür hier...
 
Er ist 20 Jahre alt und Informatikstudent in Astana, ein so genannter "Bolashak" (Zukunftsjunge).
In die investiert das Land ordentlich. Er hat einen Test gemacht, war da einer der besten und bekommt jetzt ein staatliches Stipendium für die Naserbajew-Uni, eine der besten Hochschulen des Landes. Er hat mir Bilder gezeigt, mein lieber Schollie: topmodernes Gebäude, mit überdachtem Palmenpark als Campus. Die Engländer sind da mit involviert und haben Professoren aus aller Welt geholt. Sie lehren nach dem amerikanischem System und Manas kann nach seinem Bachelorabschluss seinen Master überall machen. Er will nach England, in die USA oder nach Istanbul, denn er hat auch Türkisch gelernt. War easy, sagt er. Kasachisch und Türkisch sind sich offenbar so ähnlich, wie Deutsch und Holländisch.
 
Wenn er ins Ausland geht, muss er sich allerdings vertraglich dazu verpflichten, nach seinem Abschluss mindestens fünf Jahre in Kasachstan zu arbeiten. Klar, die wollen ja ihre Bolashaks nicht verlieren. Einzige Ausnahme: Er heiratet während des Studiums eine Ausländerin und bekommt mit ihr zwei Kinder (eines reicht nicht). Doch Manas will auf jeden Fall in Kasachstan arbeiten. Erstens kann man da als Informatiker gut leben und zweitens ist Manas sehr patriotisch, wie er sagt. Für ihn kommt es nicht infrage, eine Nicht-Kasachin zu heiraten. Es muss schon dieselbe Kultur und Religion (Islam) sein. Mit Russinnen ist er schon ausgegangen, aber mehr geht da nicht. Fast alle Kasachen seien so eingestellt, sagt Manas, es gäbe wenig "Durchmischungen" und bei einer Hochzeit müssen die Familienoberhäupter erst einmal ihre Einverständnis geben.
 
Ich habe Manas gefragt, was er über Politik und seinen Präsidenten denkt. Seine Antwort:
 
"Klar kann man vieles besser machen. Wir haben ein großes Problem mit der Korruption. Das Geld wird in der Geschäftsstadt Almaty und in den Erdölgebieten im Westen gemacht und fließt dann nach Astana, in die Bauwerke, das ist nicht fair... Aber wir haben seit dem Ende der Sowjetunion nur einen Präsidenten und es geht bergauf. Guck Dir z.B. mal diesen modernen Zug an. Wir kennen keinen anderen Präsidenten und wir wissen nicht, was passieren würde, wenn ein anderer kommt. Da haben viele sogar Angst davor." 
 
Doch die meiste Zeit haben wir uns einem anderen Thema gewidmet: Fußball.
Ich weiß jetzt, dass Bayern München im Champions League-Achtelfinale gegen Arsenal spielt, Schalke gegen Valencia und Dortmund gegen Schachtjor Donetzk. Er hatte ein Detailwissen, unglaublich. Seine Lieblingsvereine sind Schachtjor Karaganda (seine Heimatstadt) und Manchester United. Er mag Manuel Neuer und die deutsche Abwehr, Gomez allerdings findet er nicht so toll, der würde von Robben und Ribery ja nur die Bälle zugespielt bekommen und sie dann irgendwie reindrücken, ein toller Techniker sei er nicht ...
Ich glaube, ich langweile gerade alle Nicht-Fußballfans ;-)
 
Dann fragte er mich, ob ich Borat kenne und was ich von diesem Film halte. Ich habe ihm gestanden, dass ich in meinem Blog auch schon den Borat gespielt habe. Er musste lachen, sagte mir dann aber, dass er Borat ziemlich scheiße findet. Erstens sei das niveaulos und zweitens werden seine kasachischen Freunde in England jetzt immer nur noch "Borat, Borat" gerufen. Ich habe ihm gesagt: "Tröste dich, uns geht's auch manchmal nicht besser". Ich habe ihm eine Geschichte aus Japan erzählt: Ich sitze mit Jörg und Tony irgendwo in den Bergen, in einem kleinen heißen See und plötzlich kommen drei Japaner hinzu: "Where are you from?" - "Germany" - "Hitura, Hitura" (großes Gelächter) "Hitura??? - ahhhh Hitler, okay, hähä..."
 
Am Nachmittag bin ich dann in Almaty angekommen und wurde erst einmal von einem dutzend Männern mit "Taxi, Taxi!" begrüßt. Doch ich bin schnurstracks zu meiner Unterkunft gelaufen: "Hotel Turkistan" - 30 Euro das Doppelzimmer, morgen bekomme ich ein Einzelzimmer für 15 Euro, fünfstöckiger Plattenbau über einem Einkaufszentrum, trostlos aber ordentlich, sauberes Zimmer mit Blick auf einen großen Bazar und auf die schneebedeckten Berge (aber was für welche, ich komme mir vor, wie in den Alpen, Nowosibirsk featuring Zürich, um mal bei meinen wahnwitzigen Vergleichen zu bleiben).
 
 
 
Ja, ja, ist nicht mein Bild, ich weiß, aber es war mal wieder zu dunkel. 
Aber ich kann schon mal sagen: Na also, diese Stadt ist eindeutig besser als Astana. Statt -5 haben wir hier so um die 0 Grad, ich brauche keine Mütze mehr. Hier gibt es mehr herumlaufende Menschen, mehr Geschäfte, alles wirkt auf den ersten Blick bunter und freundlicher. In Astana waren die Menschen dick eingepackt und sind an einem vorbeigehuscht, die Stadt bestand vor allem aus vielbefahrenen 6-spurigen Schnellstraßen, mit einem Lärmpegel, wie an der Autobahn. Almaty wirkt dagegen wie eine richtige, lebendige Stadt, ist ja eigentlich auch das wahre Zentrum von Kasachstan. Mit 1,4 Mio Einwohnern ist Almaty auch die größte Stadt des Landes, Astana hat gut 700 000 Einwohner, soll aber noch auf eine Million anwachsen.
 
Viel gesehen habe ich noch nicht. Ich bin vom Hotel direkt zum Abendessen gegangen (meine erste Mahlzeit heute. Ich dachte, im Zug wird es schon was geben - leider falsch gedacht.)
Im schicken zentralasiatischen Spezialitätenrestaurant "Zheti Kazyna" habe ich mir dann mal was gegönnt...
 
   
 
 ... leider für schlappe 17 Euro. Ich habe das kasachische Nationalgericht riskiert, Beshbarmak: Lamm- und Pferdefleisch im Sud, auf Teiglappen. Einen Teil des Suds bekommt man als "Suppe" dazu. Das große Fleischstück ganz rechts ist Pferd ...
 
 
 
 
Ich muss sagen: Nicht schlecht, schön schmackhaft, die Teiglappen saugen den Fleischsud schön auf und beim Pferd kann man sich einreden, es sei Rind. 
 
Den "Kracher des Tages" habe ich dann beim Verlassen des Restaurants erlebt. Einer der nur russisch sprechenden Kellner bat mich, mir ein englisches Lied auf seinem Handy vorspielen zu dürfen. Ich solle ihm erklären, worum es im Text geht. Es war irgendein mir unbekannter Rap Song. In der ersten Strophe kam fünfmal das Wort "Motherfucker" vor, in der zweiten Strophe fast genauso oft das Wort "Nigger". Den Rest habe ich kaum verstanden. Ich habe dem Kellner auf Russisch gesagt: "Das ist ein Lied über das Leben schwarzer Menschen in ärmeren Vierteln US-amerikanischer Städte."
Dann folgte noch folgende Konversation. "Was ist deine Heimatstadt?" - "Berlin." - "Ach, bei Euch gibt's doch Union Berlin, aber die spielen nur in der zweiten Liga." - "Äh, richtig. Aber mein Verein ist der 1. FC Nürnberg, die spielen zwar in der 1. Liga, sind aber nicht so gut, Platz 15 oder so" - "Nein, stimmt nicht ganz, ein bisschen weiter oben sind sie schon."
 
People in Kazakhstan have fife favourite hobbies: discodancing, ping pong, ice-sliding on the poposhka, car driving and knowing everything about German football.
 

2 Kommentare:

  1. Olli, viel Spaß! Es freut mich, Deinen Blog zu lesen. LG Franzi
    P.S. Hier ist es übrigens auch kalt und schneit gerade wie verrückt.

    AntwortenLöschen
  2. In der Gegend um Turkestan haben wir zwei kasachische Anhalter mitgenommen - Galymhan und Samchan. Bevor mir Samchan Fotos sämtlicher Fußballer der deutschen Nationalelf auf seinem Handy zeigte, stimmte er hoffnungsfroh Cheri Cheri Lady von Modern Talking an. Das fand ich skurril.

    Chapeau, dass du im Winter reist. Wir waren zwischen Mai und September in der Ecke. Ich habe mir immer versucht vorzustellen, wie der Winter dort ist.

    Schöner Blog!

    AntwortenLöschen