Dienstag, 5. Februar 2013

Astana - prachtvoller Prunk und bittere Armut

Hey, ich habe jetzt auch eigene Fotos aus Astana!

Die zentrale Flaniermeile. Leider ausgestorben, kein Wunder bei -5 Grad. Das ist für diese Jahreszeit sogar fast schon sommerlich, wurde mir gesagt. Tja, wer seine Hauptstadt auch in die vorsibirische Steppe bauen muss... In Astana dauert der Winter 7 Monate lang. Der zentrale Fluss Ishim ist von November bis April zugefroren. Außerdem kann man hier eh nichts machen, nur gucken und in eine Shopping Mall gehen.

 
  
Kazmuneigas: der staatliche Erdölkonzern. Astana ist komplett auf Petro-Dollars gebaut. Kasachstan ist drauf und dran, den Golfstaaten ernsthaft Konkurrenz zu machen. In den 90er Jahren wurden in der Region die weltweit größten Erdölreserven der letzten 30 Jahre entdeckt. Die Amerikaner, Russen und Chinesen sind schon fleißig am Start. Kasachstans Wirtschaft boomt, knapp 10 Prozent Wachstum (Deutschland: unter 2 Prozent).  

  
 
Wenn man so im Öl schwimmt, kann man natürlich allerhand lustige Gebäude bauen,
 z.B. so was hier:
 
 
Der Bajterek-Turm, entworfen von Stararchitekt Norman Foster. Der Turm soll einen Lebensbaum darstellen. Das runde Ding ist das Ei des sagenumwobenen Vogels Samruk (ein Fabelwesen aus der persischen Mythologie). Die Kasachen sind auch ein Turkvolk. Für mich klingt Kasachisch auch ein bisschen wie Türkisch. Auf der Straße wird immer wieder hin- und hergeswitched, zwischen Kasachisch und Russisch. Weniger gebildete Leute, v.a. aus der Provinz, sprechen nur Kasachisch. 
 
Ich fahr mal kurz hoch auf den Turm, nur um Euch etwas zu zeigen ... ;-)
 
 
...den heiligen Handabdruck des Präsidenten. Wer ihn berührt, wird großes erlangen oder so ähnlich...
 
 
Der Sultan und ich haben ähnliche Hände, nur sein Zeigefinger ist ziemlich kurz.
 
 
Hier, das ist auch'n Ding...
 
 
... da haben Außerirdische ihre Saugglocke vergessen. Die Kasachen hat das nicht weiter gestört, sie haben einfach ein ganz famoses Einkaufszentrum hineingebaut.
 
 
 
 
mit Freizeitpark, inklusive Daddelhallen, Freefalltower und Schwebebahn:
 
 
 
ohne Worte:
 
 
 
 
In den Einkaufszentren ist mir eine Sache besonders aufgefallen: Sie sind ziemlich leer, so auch die meisten teureren Restaurants. In Kasachstan fehlt, wie in vielen ehemalige Sowjetstaaten, die Mittelschicht. Es gibt eine kleine reiche Elite und weit verbreitete Armut.
 
Darüber wollte ich mehr erfahren und habe mich deshalb mit Zauresh Battalova getroffen.
Sie war zwischen 1999 und 2005 parteilose Abgeordnete im Parlament und ist jetzt eine der wichtigsten oppositionellen Stimmen des Landes.
 
 
 
 
Sie leitet den "Fond zur Stärkung des Parlamentarismus". Allerdings, so offiziell das klingt, hat das nichts mit dem Parlament zu tun. Der Fond ist eine Art NGO, die von der Regierung gebilligt, aber weitgehend ignoriert wird. Die Abgeordneten haben offenbar keine Lust oder Angst vor mehr Parlamentarismus und gehorchen weiter brav dem Präsidenten.
 
Zauresh Battalova versucht deshalb, die Zivilgesellschaft anzusprechen, runde Tische zu organisieren, Konferenzen etc. Es ist ein schwieriger Kampf, sagt sie, doch immerhin erreiche sie viele Menschen, meist über das Internet, denn in den Zeitungen und TV-Stationen hat sie Redeverbot.
 
Battalova prangert vor allem an, dass der Präsident Milliarden von Dollar in Prunkbauten verballert, statt die massiven sozialen Probleme anzugehen. Um mir genau diese zu zeigen, hat sie mir ein Auto und zwei ihrer Mitarbeiter organisiert (und das innerhalb eines Tages nach meinem Anruf, ganz schön auf zack, die Frau) Sie hat vier Familien, denen sie mit ihrem Fond hilft, für uns organisiert und ausgemacht, dass wir sie besuchen kommen.
Wir sind dann zu dritt mit Chauffeur durch die Armenviertel am Stadtrand von Astana gefahren.
 
Ich hatte einiges erwartet, jedoch nicht das hier...
 
 
hier wohnt eine Familie mit 5 Kindern, eines davon behindert.
 
Das ist der Hausflur
 
 
 
Das kleine Mädchen hat die ganze Zeit gehustet, weil die Heizung unten rechts ganz fürchterlich gerußt hat. Für das Foto hat sie sich kurz zusammengerissen.  
 
 
 
ums Eck war ein einziges großes Bett, in dem zwei kleine Kinder in Decken eingewickelt lagen. Links stand noch ne alte durchgesessene Couch.
 
Ich habe überlegt, ob das in Ordnung ist, die Leute einfach so zu fotografieren, aber meine Begleiter, die mit diesen Familien zusammenarbeiten, waren da völlig ohne Berührungsängste und hatten selbst auch schon zehn Bilder geknipst, bevor ich überhaupt meine Kamera ausgepackt hatte: "Foto, Foto, zack, zack, Interview und weiter." Ihnen war es wichtig, mir verschiedene Lebensumstände zu zeigen. Und wir sind wirklich fast durch die ganze Stadt gekurvt.
 
 
Bei der nächsten  Familie handelt es sich um Kasachen, die aus Usbekistan wieder zurück in die Heimat gezogen sind und hier auf bessere Arbeitsbedingungen gehofft hatten. Der Mann ist gelernter Kranfahrer, hat aber keine Papiere bekommen und jobbt nun hier und da ein bisschen. Im Monat schaffen sie es, rund 300 Euro zusammenzukratzen, für 7 Menschen. Vom kasachischen Staat gibt es als einzige Unterstützung etwa 60 Euro Kindergeld für alle fünf.
 
 
 
 Das Geld reicht natürlich nicht für eine teure Wohnung in der Innenstadt, deshalb muss die Familie in einer Hütte in der Schneewüste am Stadtrand wohnen. Es ist die hellblaue, links.
 
 
Toilette: Plumpsklo draußen, fließendes Wasser: nicht vorhanden, der Brunnen liegt 2 km entfernt, die Kinder hatten Hautausschläge
 
 
 Dieser Mann wohnt relativ zentral in der Stadt. 
   
 
 Er fährt Schneeräumfahrzeuge und verdient etwa 400 Euro im Monat. Allerdings hat er für diese  Wohnung (ein Wohnzimmer hat er noch nebenan) einen Kredit über rund 70 000 Euro aufnehmen müssen, zu mieten gab es nichts für ihn. Die Kasachischen Banken kennen da aber keine Gnade, langen ordentlich zu und haben noch um die 15 Prozent Zinsen draufgepackt. Der Mann müsste eigentlich die nächsten 13 Jahre lang rund 800 Euro Monatlich abbezahlen. Geht natürlich nicht, er wird für immer verschuldet bleiben.

 Die Leute waren alle offen und freundlich, die Kinder haben mich immer ganz lieb mit "Assalamu aleykum" begrüßt und dabei meine Hand mi ihren beiden Händen umschlossen. Doch die Erwachsenen wirkten einfach nur resigniert. Keiner schimpfte über die Regierung, die meisten sagten eher so etwas, wie: "Was soll ich von denen erwarten, die sind nicht für mich verantwortlich."
 
Zauresh Battalova sieht das anders. Sie beschuldigt die Regierung, ihre sozialen Pflichten völlig zu vernachlässigen und die Menschen wie wertlose Nebenprodukte zu behandeln.

 

2 Kommentare:

  1. Cvijeće moje, slike i cijela priča je tako dirljiva. Lijep pozdrav

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