Dienstag, 12. März 2013

Von Dushanbe in den Polizeistaat Usbekistan

Endlich, nach langer Zeit komme ich mal wieder zum bloggen. Im Schurkenstaat Usbekistan gibt es leider nicht so viele Möglichkeiten, an schnelles, nicht ständig ausfallendes Internet zu gelangen. Obwohl "Schurkenstaat" ist vielleicht nicht ganz der richtige Begriff. Usbekistan ist ein Polizeistaat. Hunderte Polizisten in den Städten sorgen dafür, dass die einzigen Schurken in der Regierung sitzen.

Aber langsam, von vorne. Ich muss Euch erst einmal von meiner "glorreichen" Ankunft in der tadschikischen Hauptstadt Dushanbe erzählen.

Eigentlich wollte ich die Tadschiken loben, als ein absolut ehrliches, liebenswertes, gastfreundliches und zurückhaltendes Volk. Übrigens, zurückhaltend finde ich extrem angenehm.

Viele von Euch waren vielleicht schon mal in Nordafrika oder besser noch: in Indien. Man steigt aus dem Bus oder Zug und sofort kommen Heerscharen von Schlitzohren auf einen zugerannt: "What's the name of your country? How long in India? Which city you go next?" - "Oh Mann, komm zum Punkt." - "What's the name of your hotel?" - "Wusst ich's doch. My hotel is Pol Haveli" - "Oh I am sorry to tell you mister, but this hotel is closed. But you are lucky mister, I know a nice hotel for you." - "No, thank you, I already decided which hotel I want to go." - "Mister, Mister, wait, wait, wait. Don't be so rude, I told you, your hotel is closed..." - "No, thank you." - "No, no, no, you don't understand, mister. You come with me." - "No, thank you." - "Wait, wait, wait, wait, mister ..." und dann kommt meistens schon der nächste, der es versucht...

In Zentralasien sucht man so etwas vergeblich. Die Leute sprechen einen auf der Straße nicht an und wenn man jemanden nach einer Auskunft fragt, bekommt man meist auch eine korrekte Auskunft.  Entspannte ehrliche Menschen also, mit einer Ausnahme: Die Taxischurken - Sie zocken die Einheimischen ab und mich natürlich noch mal extra.

Zum Beispiel auf den Weg von Khorog nach Dushanbe, wie erwähnt, eine 16 Stunden Fahrt. An ein öffentliches Verkehrssystem ist in dieser Gegend nicht zu denken, wie der Scholllator richtig gesagt hat, also bin ich auf das einzige private Sammeltaxi angewiesen, das an diesem Tag nach Dushanbe fährt. Ich weiß das, der Fahrer weiß das und deswegen verkündet er ganz frech: 50 Dollar. Ich zeige ihm den Lonely Planet, da steht: 35 Dollar. "Nix da, das war früher, jetzt ist der Benzinpreis gestiegen, frag die anderen." Die Mitfahrer nicken alle: "Ja, ja, 50 Dollar." Na großartig, was ist denn das für eine Solidarität unter Fahrgästen. Ich versuche so zu tun, als ob ich es nicht nötig hätte, für diesen Preis mitzufahren. Leider ein lächerlicher Versuch. Also steige ich zähneknirschend ein.

Während der Fahrt zeigt sich der Fahrer extrem bemüht um mich, fragt immer wieder, ob es mir gut geht. Das Fahrtgeld kassiert er ganz klammheimlich einzeln ein, so dass ich nicht mitbekomme, was die anderen zahlen. "Ach spart euch doch diese Show", denke ich. Im Endeffekt ist es ja ok, mehr zu zahlen. Ein deutscher Durchschnittslohn liegt schließlich gut 20 mal über dem tadschikischen. Mich ärgert nur dieses Gefühl, der Gelackmeierte zu sein und mich ärgert, dass ein Taxifahrer auch die Einheimischen pro Fahrt um gut ein Viertel ihres Monatslohns erleichtert, nur weil sie sonst nicht vom Fleck kommen. Ich habe ausgerechnet: Ein normaler Tadschike verdient vielleicht 60-80 Euro im Monat, ein Taxifahrer müsste, wenn es gut läuft, um die 1000 Euro verdienen.

In Dushanbe kam dann die nächste Frechheit. Die versammelte Mitfahrerschaft wurde in ein privates lokales Taxi umverfrachtet, das jeden einzeln nach Hause (bzw. mich zum Hostel) bringen sollte. Natürlich wurde ich als letzter abgeliefert. Dabei wieder ein heimliches Getue beim bezahlen. Ich frage einen meiner Mitfahrer: "Wieviel gebt ihr dem Fahrer?" Er guckt mich entsetzt an: "Ich weiß es nicht." Wir gurken über eine halbe Stunde durch die Stadt, um jeden einzelnen Fahrgast in seinen abgelegenen Außenbezirk zu fahren. Mist, hätte ich doch nur dieses Taxi abgelehnt und mir ein eigenes gesucht. Eine Taxifahrt kostet, laut Lonely Planet, zwischen 2 und 4 Euro.

Bei der Wohnung des letzten Fahrgastes angekommen, zieht der Taxifahrer (ein Anfang 20-jähriger Technohörer) ein Schmierentheater ab. "Dein Hostel ist schon ziemlich abgelegen." Stimmt nicht, die Mitfahrer wohnen in Außenbezirken, mein Hostel liegt am Ende der zentralsten Straße der Stadt.
"Ich muss vorher noch tanken, dann fahren wir zu deinem Hostel." Nach zehn Minuten sind wir bei der ersten Tankstelle, nach weiteren 10 Minuten bei einer zweiten: "Sorry, ich muss auch Gas auffüllen." Dann fahren wir weitere 15 Minuten quer durch die Stadt, über zwei Autobahnen (!?). Irgendwann wird es mir zu bunt und ich sage zum Fahrer: "Sag mal, so weit kann das doch gar nicht sein. Das Hotel liegt direkt im Zentrum." Er studiert noch einmal genau die Karte und sagt: "Doch klar, ich weiß schon, wo das ist." Nach weiteren fünf Minuten sind wir da und der Taxifahrer verlangt umgerechnet 12 Euro. Ich sage ihm: "Das kann nicht sein. Ein eigenes Taxi hätte mich maximal 4 Euro gekostet." - "Ja aber nicht für so eine lange Fahrt, denk doch mal nach." - "Ich muss da gar nicht nachdenken. Mein Hostel war nicht weit vom Busbahnhof entfernt. Ich gebe Dir jetzt 4 Euro und gut ist's." Er wird laut, ich werde laut und am Schluss einigen wir uns auf 6 Euro, so dass keine Prügelei vonnöten ist und keiner sein Gesicht verliert. Ich drehe ihm nur noch den Rücken zu, nehme meine Sachen, knalle sie wütend auf ne Parkbank und höre wie er mit quietschenden Reifen davonbraust.

Dann versuche ich, mein Hostel "Adventurer's Inn" zu finden. Es muss hier ganz in der Nähe sein. Die Wegbeschreibung in meinem englischsprachigen Lonely Planet lautet wie folgt: "Es liegt gut versteckt, in den "backstreets" hinter dem Vadonosos Bazar, über eine Brücke, die über die "sewer pipe" hinter der Residenz des amerikanischen Botschafters führt. Beim ersten Mal benötigst du Hilfe, um das Hostel zu finden."

Ach du Kacke, hätte ich mir das mal vorher durchgelesen. Es ist nachts um zwei und es stellen sich drei Fragen: Wo wohnt der blöde Botschafter? Wo ist hier eine Brücke? Was um Himmelswillen ist eine sewer pipe? "Sew" - heisst das nicht nähen? Eine Näher-Röhre? Natürlich sehe ich weit und breit nichts, was nur annähernd nach einem Rohr, nach Nähern oder einer Brücke aussieht. Nach 15 Minuten treffe ich immerhin einen Menschen, der mir das Haus des Botschafters zeigen kann. Nach weiteren 15 Minuten rund ums Haus Gelaufe entdecke ich hinter einer dichten hohen Hecke das riesige Abflussrohr samt Brücke. Nach weiteren 20 Minuten habe ich das Hostel gefunden. Es ist mittlerweile fast drei Uhr, ich klingele ... vergeblich, na toll.

Ich laufe wieder zurück zum menschenleeren Basar, da hält ein Taxi. Oh nein, nicht schon wieder. Doch der Fahrer sieht alt und seriös aus. Er sagt: "Ich habe ein prima Hotel für dich. Es ist ein Sportlerhotel, direkt unter dem nationalen Fußballstadion, im Keller. Es hat noch offen und kostet nur 5 Euro die Nacht." - "Kling gut, bring mich hin."

Diese Idee war ... etwas gruselig in der Ausführung:

 
 Uaaah! Die schimmeligste Absteige, in der ich je geschlafen habe.
Die Bettwäsche roch extrem stark nach verschwitztem Fußballer.
 
 
 
Der Gang vor meiner Zelle.
Immerhin: die Dusche war warm, die Toilette allerdings vollgekotet.
 
 
Und hier zum Kontrast, das Adventurer's Inn, dessen Türe mir am nächsten Morgen geöffnet wurde.
 
 
Wie eine Finca auf Mallorca!
 
 
 
Meine 12-Euro-Suite 
 
 
In Dushanbe folgten dann drei sehr schöne entspannte, wenn auch fast identische Tage. Tags über war ich in den immer selben Wifi-Fastfoodrestaurants, um stundenlang Daten hochzuladen. Ich habe alle Interviews und Fotos ins Netz geladen, weil Journalismus in Usbekistan nicht geduldet wird und die Grenzkontrollen streng sind. (Usbekistan ist deutlich härter als Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan)

Abends habe ich die superliebe supercoole Alenka zu Schaschlik, Bier und Vodka getroffen. Wir hatten uns in Almaty für Dushanbe verabredet. Alenka war damals bei der deutschen Crew mit dabei, ist aber eine Kärtner Slowenin aus Eesterreeych und oabeeeytet für die Eesterreeeychische Hondlskammer. Der österreichische Präsident war mit einer Wirtschaftsdelegation auf dem Weg nach Dushanbe und das musste wochenlang vor Ort vorbereitet werden.

Hier freut sich die Alenka (auf mein Kommando), dass Dortmund 3-0 gegen Schachtjor Donetsk führt.




Was hab ich in Dushanbe gesehen? Eine Menge Denkmäler...


 
 
und Paläste...
 
 
Hier wohnt Präsident Rahmon, der sich auf Plakaten bevorzugt in Getreidefeldern zeigt, denn da wächst was...
 
 
 
 
Tadschikistan hat den längsten! Also den höchsten Fahnenmast der Welt (glorious country) ... 
 
 
 
Viele Alleen mit cremefarbenen Häusern...
 
 
 
 
 Nachts sind diese Alleen gemeine Fallen. Ich wurde von zwei Vögeln besudelt.
 
Das Herz jeder zentralasiatischen Stadt - der Basar...
 
 
 
 
 
 
Alles bei OBI:
 
 
 
 
 
Nachdem ich alles, was irgendwie nach Journalismus aussieht, gelöscht und vernichtet hatte, habe ich mich auf den Weg nach Usbekistan gemacht. Ich war mal wieder auf Taxischurken angewiesen. Dieses Mal war aber alles moderat.
 
 
 
 An dieser "vertrauenserweckenden" Stelle muss man sich ein Taxi zur usbekischen Grenze schnappen.
 
 
Der Grenzübertritt Tadschikistan - Usbekistan war ein "Erlebnis", vor allem auf usbekischer Seite.
 
Der erste usbekische Kontrolleur sah aus, wie ein Soldat im Krieg: volle Tarnfarbenmontur, Maschinengewehr, Helm auf dem Kopf. Er wollte allerdings nur kurz meinen Pass und mein Visum sehen. Der zweite Kontrolleur (in normalem Polizeioutfit) fand, dass mein Pass zu ramponiert ist und schickte mich sofort zum dritten Kontrolleur, der recht genervt bestätigte, dass mein Pass in der Tat zu ramponiert ist, mich aber dann weiter zum vierten Kontrolleur, hinter einer Glasscheibe, schickte. Dieser brüllte mich an: "Was willst Du in Usbekistan." Ich brüllte zurück: "Reisen." Er brüllte "Wofür?" Ich: "Tourismus". Er guckte böse, blätterte meinen Pass durch, guckte noch böser, winkte mich dann aber durch. War es das jetzt? Nein, es kam erst noch die richtige Kontrolle, das komplette durchfilzen. Oh mein Gott, mit mir im Raum stehen rund 30 Tadschiken und Usbeken, das kann Stunden dauern, denke ich. Ich setze mich kurz hin, da kommt ein Polizist herein, guckt sich um, sieht mich, guckt erstaunt und winkt mich zu sich: "Sie, kommen Sie mit".
Ich komme mit, in einen zweiten Raum und werde gebeten, meine Rucksäcke komplett auf einem Tisch auszuleeren. Der Polizist fasst jedes Kleidungsteil einzeln an und schüttelt es. Dann muss ich meine Medikamente erklären: "Das ist gegen Kopfschmerzen, das gegen Durchfall ..." Dann nimmt er meine Bücher in die Hand und blättert sie durch, um zu prüfen, ob irgendetwas zwischen den Seiten versteckt ist. Dann sieht er meinen Laptop: "Hochfahren". Er setzt sich an meinen Rechner und macht stichprobenhaft ein paar Ordner auf, findet aber nichts. "Wo sind die Dateien?" - "Ich habe nichts, alle Bilder sind im Fotoapparat, ich benutze den Computer nur, um zu surfen und zu skypen." - "Zeig mir den Fotoapparat." Wir gucken uns die Bilder an und ich erkläre ihm die Sehenswürdigkeiten in Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan. Er scheint recht interessiert zu sein, es kommt so ein bisschen Diaabend-Atmosphäre auf. Mein Aufnahmegerät schaffe ich erfolgreich als mp3 Player zu verkaufen. Ich zeige ihm die Lieder, die ich in Dushanbe draufgeladen habe (Ich bin so ein Fuchs).
 
Noch ein paar Papiere ausfüllen und sie lassen mich durch. Ich atme tief durch und bin dann doch überrascht, dass der ganze Spaß nur eine Dreiviertelstunde gedauert hat.
 
Hinter der Grenze erwartet mich schon der nächste Taxifahrer, der mich in die usbekische Hauptstadt Tashkent bringen wird, oder besser gesagt versucht, denn keiner hatte mit dem schrecklichen Schneesturm zum Weltfrauentag gerechnet ...
 


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