Sonntag, 17. März 2013

Der architektonische Knaller Samarkand

Oh, oh, Journalistenkollegin Edda (die Antonia Rados Zentralasiens) hat geschrieben, sie sei gespannt, was ich reportagemäßig aus Usbekistan herausholen werde...

Tja, ich muss sagen, ich bin seit Osh irgendwie ziemlich faul geworden. Gestern habe ich z.B. in Buchara direkt neben der Synagoge und dem Gemeindezentrum der "Buchara-Juden" gewohnt. Es gibt wohl nur noch ganz wenige von ihnen in der Stadt, sie sind in der ganzen Welt verstreut. Was man da wohl alles für interessante Geschichten hätte erzählen können...

Aber ich war sooooo faul und jetzt bin ich irgendwie schon nach Khiva weitergefahren.

Naja, immerhin habe ich bereits sieben potentielle Reportagen im Gepäck und die muss man ja auch erst einmal alle schreiben und irgendwo unterbringen. Die journalistische Motivation hat jedenfalls rapide nachgelassen. Ich bin zum gemeinen Backpacker geworden.



Aber, mein lieber Schollie, was habe ich für architektonische Megakracher gesehen, in den letzten Tagen. Städte wie aus "Tausend und einer Nacht". Kulissen für Märchen wie "Olibaba und die 40 Taxischurken".

Von Tashkent bin ich zunächst weiter (bzw. ein kleines Stück zurück) nach Samarkand gefahren, dann nach Buchara, dann nach Khiva, zu den Perlen der Seidenstraße.





Die Fahrt nach Samarkand war zur Abwechslung mal sehr angenehm. Ein Zuuuhuuhuug, juchu! Und supernette Studenten als Mitfahrer, endlich ausschließlich normale und interessante Gespräche.




In Taxis (wenn man nicht gerade eine tadschikische Russischprofessorin neben sich hat) läuft die Unterhaltung in der Regel immer nach demselben Muster ab:

"Otkuda ti prijechal? (Wo kommst Du her?)" - "Germania" - "Aaaah, Germania, haroshaja strana! (gutes Land). Haroshije mashini! (gute Autos). Mercedes, Volkswagen..." - "Da, da, BMW, Audi i Porsche." - "Kak tebja zovut, skolka ljet, zhenat?  (Wie heisst du, wie alt bist du, verheiratet?)" Und dann geht's meistens so weiter: "Kak ti nje zhenat, njet djetej? (Wie kannst Du nur so leben?)" Und dann erkläre ich, dass man in Deutschland in der Regel mit 35 heiratet ;-)

Da ich meinen Mitfahrern keine eigene Familie anzubieten habe, fragen sie nach Eltern und Geschwistern: "Aha, deine Schwester hat zwei Kinder, was sind das für Kinder? ... Aha, Junge und Mädchen." Was für eine spannende Info für jemanden, der sonst kaum etwas über mich weiß.

Wenn ich wiederum versuche, etwas zu erfragen, außerhalb der Familienbeschaffenheit, kommen meist nur einsilbige Antworten. Doch im Zug nach Samarkand war es zum Glück anders...


In Samarkand angekommen, war ich erst einmal erstaunt, denn die Polizeipräsenz war auf einmal deutlich geringer. (Ich wurde seit Tashkent kein einziges Mal mehr kontrolliert.) Dafür sind die Händler in Samarkand schlimm, oh mein Gott...
Da lästere ich noch über Indien und freue mich über die zurückhaltenden Zentralasiaten und kaum laufe ich über den Samarkander Basar, geht's schon los.

Eine Bettlerin kommt auf mich zu und streckt ihre Hand aus. Ich lege 1000 Som hinein. Sofort erscheinen vier weitere Bettlerinnen und zupfen an mir herum. Ich laufe weiter, alle vier hinter mir her, ich jogge, alle hinterher: "Miiiiiiiister, davaj moooooney!" Hilfe!

Ich schaffe es, sie abzuschütteln und bleibe stehen, da drückt mir plötzlich ein Händler einen Klumpen in die Hand und fordert ziemlich aggressiv: "Probier, probier! Ist toll, getrocknete Bananen, Nüsse und Feigen..." Ok, ich will ja nicht unfreundlich sein und das Ding einfach wegwerfen ... (Eigentlich bin ich viel zu weich für so einen indoarabischen Bazar-Style, denke ich.)
Jedenfalls schaffe ich es nur gegen viel Gezeter und Geschrei ankämpfend, für einen Euro und nicht für 10 Euro von diesem Früchtekram einzukaufen.

Als der nächste Händler dasselbe Spielchen mit rohen Kartoffeln probiert, reicht es mir. Ich laufe weiter und nehme eine megaarrogante und abweisende Haltung an. Ich würge jede Begrüßung, jedes Gespräch sofort mit "No, thank you" ab. Die Händler wollen es offenbar nicht anders.

Ein paar Fotos habe ich dennoch geschossen...


 
Sonnenblumenkerne sind der Renner.
 
 
 
Die Ladys von der Tomatentheke.
 
 
 
 
Und jetzt kommt mein Lieblingsprodukt, der Usbekenhut ...
 
 
 
Der folgende Hut aus Schafswolle ist kein Scherzartikel, sondern bitterer Ernst ...
 
 
 
Nein, ich habe ihn nicht gekauft. Das kostete mich allerdings viel Standhaftigkeit, denn die Händlerin dachte bei mir ernsthaftes Interesse entdeckt zu haben.
 
 
Und jetzt kommen die eigentlichen Highlights aus Samarkand. Festhalten zum staunen ...
 
 
 
Der weltberühmte Registan...
 
 
 
Wahnsinn!
 
 
 
Der Knaller! 
 
Ein Ensemble majestätischer Medressen, fast schon überladen mit azurblauen Mosaiks, dazu große, wohl proportionierte Freiflächen - sagt zumindest der Lonely Planet. (Stimmt schon so.)
 
Der Registan in Samarkand war wohl einer der Marktplätze schlechthin auf der Seidenstraße. Hier zogen einst unzählige Händlerkarawanen durch, auf dem Weg von China bis zum Mittelmeer. Heute ist der Registan eine Art Museum, für das man Eintritt bezahlt und gleichzeitig ein riesiger Souvenirshop, um dessen einzelne Geschäfte man besser einen großen Bogen macht, weil die Händler viel zu anstrengend sind. Insgesamt trotzdem beeindruckend.
 
Auch außerhalb des Registans gibt es in Samarkand einiges zu sehen, z.B. die Bibi-Khanym Moschee, die im 14. Jahrhundert fertiggestellt wurde. Sie galt als das prächtigste Bauwerk im Reich des Eroberers Timur (auch als Tamerlan bekannt).
 
 
 
 
 


Auch sehr schön: Shah-i-Zinda, Samarkands kleine Avenue der Mausoleen ...

 

Schauen wir doch mal hinein ...
 
 
Wow !
 
 
 
Ist das toll!
 
Aber auch anstrengend, nach einem ganzen Tag hatte ich die Nase voll von dieser Tempelei.
 
 
Zum Glück hatte ich auch ein echt gemütliches Hostel, mit Wifi und Backpacker-Highlife, zum ersten Mal: zwei Koreaner waren da, ein Chinese, ein Taiwanese aus Neuseeland und Karsten mit seinem 10-jährigen Sohn, dessen etwas komplizierten chinesischen Namen ich leider vergessen habe aufzuschreiben. Song Yun, wenn mich nicht alles täuscht. Karsten kommt aus der Schweiz und ist seit über einem halben Jahr mit seinem Sohn und diesem Auto auf Weltreise...
 
 
 
 
Ihr Lieblingsland bislang: Oman. In Samarkand kam die taiwanesische Mutter des Jungen herbeigeflogen, um die beiden Weltreisenden unterwegs zu besuchen. Die beiden haben so einiges durchgemacht. Zu den schlimmsten Erlebnissen gehörten das völlige abgezockt werden und die einstweilige Verweigerung der Weiterfahrt an der iranischen Grenze und türkische Kinder, die neben dem Auto herrannten und drohten, die Scheiben einzuschlagen. Na da bin ich mit meinen Taxischurken noch relativ glimpflich davongekommen.
 
In Samarkand habe ich via BBC Fernsehen mitverfolgen können, dass wir einen neuen Papst haben, der offenbar deutlich cooler drauf ist, als der alte. Na, dann...
 

4 Kommentare:

  1. Olli, Du solltest Dein Blog umbenennen - "Olibaba und die 40 Taxischurken", sehr gut!!

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  2. Wir haben uns gerade bestens amüsiert beim Lesen auf deiner Seite. Super interessante und fesselnde Berichte!
    Zurzeit sind wir in Bishkek, fahren morgen ab in Richtung Osh und Pamir. Auch Usbekistan wollen wir noch besuchen und hoffen, dass unser Grenzübertritt etwas weniger spannend abläuft:-)
    Letzten Dienstag haben wir im Hostel in Karakol Karsten und seine Familie (leider nur kurz) getroffen und uns sehr gefreut, dass du sie ebenfalls kennen gelernt hast.
    Liebe Grüsse

    Patrizia und Simon
    www.psunterwegs.ch

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    1. Ja, ja, die Schweiz ist schon eine der größten Backpackernationen ;-) Vielen Dank fürs Lob und viel Spaß mit den Monopoly-Scheinen und neugierigen Polizisten in Usbekistan.

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  3. Guten Tag,

    Möchte im Herbst von Bishkek nach Teheran mit einem Kleinbus und 10r Kollegen reisen. Habe 14 Tage.
    Kannst Du mir ein paar empfehlenswerte Unterkünfte nennen ?
    Vielen Dank Vital

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